Eine ausstehende Antwort
Vor einhundert Jahren scheiterte der „Bierkeller-Putsch“ Hitlers und Ludendorffs in München. Vor 85 Jahren wurden in den Novemberpogromen abertausende jüdische Menschen Opfer der vom Nazi-Regime gelenkten Gewaltmaßnahmen.
Innerhalb weniger Jahre entwickelten sich die Nazis von gescheiterten Existenzen und randständigen Figuren, wie sie von der damaligen Presse oft dargestellt wurden, zu brutalen Machthabern, die ihren Kriegs- und Vernichtungswillen politisch realisierten. Auf diesem Weg wurden sie — als vermeintlich nützliche Idioten — von national-konservativen Kräften aus Politik, Militär, Wirtschaft usw unterstützt.
Die Geschichte ist bekannt, erforscht, kontrovers diskutiert — auf jeden Fall aber für jeden zu wissen.
Nicht bekannt ist unsere Zukunft. Nicht bekannt ist, ob hundert Jahre nach dem Bierkeller-Putsch Konservative wieder bereit stehen, der extremen Rechten den Weg in die Regierungen zu ebnen. Offiziell, also mit ihren Beschlusslagen, ist die CDU da klar. Und auch der sächsische Ministerpräsident Kretschmer lässt sich zitieren: “Eines ist von vorne rein ausgeschlossen — dass es irgendwas hier mit der AfD gibt, solange ich noch was zu sagen haben.” Das entscheidende Wort ist hier „irgendwas“ — denn es ist das richtige Wort, das ich dem MP auch abnehme. Besorgt macht mich der Nachsatz. In anderen Bundesländern und in manchen Kommunen zeigt sich: der Ausschluss eines jeglichen „Irgendwas“ mit der extremen Rechten nicht mehr gegeben. Die beginnende Erosion konservativer Stabilität gegenüber der Versuchung, mit den Menschenfeinden zusammen Macht zu erlangen und Gesetze zu verabschieden ist erkennbar. Es ist an der Zeit, dass die ganze Union hier in Sachsen Farbe bekennt. Steht nur Michael Kretschmer — „solange er noch was zu sagen hat“ — für konservative Stabilität oder ist es seine Partei?
Schon 1923 war es ein Irrtum, die extreme Rechte als Spottfiguren abzutun und es war ein historisches Versagen konservativer Kräfte, sie als Helfershelfer für die eigene Macht gebrauchen zu wollen. Auch dieses Versagen hat den Zivilisationsbruch ermöglicht. „Kein Fußbreit den Faschisten“ — das ist der Ausschluss eines jeglichen „Irgendwas“. Steht die sächsische Union — in Gemeinden, Kreisen und im Land dazu? Auch wenn der Vorsitz wechseln sollte? Eine Antwort auf diese Frage haben die Menschen in Sachsen verdient, damit sie 2024 nicht die böse überrascht werden.
Stefan Hartmann am 9. November 2023