Tarifland Sachsen? Streikland Sachsen!
In dieser Woche wurde in Sachsen gestreikt. In Pirna beim Helios Klinikum. In Espenhain bei SRW Metalfloat. In Kesselsdorf bei „VielfaltMenü“. Und in Chemnitz streikt der öffentliche Dienst.
Überall das gleiche Bild. Die Arbeitgeber mit unanständig mickrigen oder gar keinen Angeboten, um mit angemessenen Lohn- und Gehaltserhöhungen der seit Jahren galoppierenden Inflation irgendetwas entgegenzusetzen. Das ist nicht nur eine Schande, sondern es ist respektlos gegenüber der guten Arbeit der Beschäftigten. Denn nur diese ermöglichen, dass Unternehmen, Krankenhäuser oder Behörden überhaupt etwas leisten können. Zugleich ist es auch weit weg von klugem unternehmerischem Handeln. Wir erinnern uns gut daran, wie auf im Rahmen einer Podiumsdiskussion der sächsischen IHKen das Thema Arbeits- und Fachkräftemangel aufgerufen wurde. Und in Verbindung damit die Frage, ob Arbeit attraktiv genug sei. Der gesunde Menschenverstand hat darauf eine einfache Antwort. Gute Löhne, gute Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung — all das könnte helfen. Aber dort wurde anderes aufgerufen. Der Herr Chrupalla von der AfD meinte: Bürgergeld kürzen und für Menschen bis 30 soll es gar nix geben. Andere sprachen davon, das in Naturalien auszuzahlen, quasi einen Appel und ein Ei. Entschiedener Widerspruch der Vertreter von CDU und FDP war nicht zu hören. Von erzkonservativer Seite heißt es also beim Thema „attraktive Arbeit“: Lasst uns das Leben jenseits des Berufs so mies machen, dass die Menschen sich ‚glücklich‘ in den Niedriglohn fügen. Darüber kann man nur wütend werden.
Aber auch die Arbeitgeber in der Tarifrunde der Länder im öffentlichen Dienst haben ein Angebot verweigert. In diesen Zeiten wirtschaftlicher und privater Unsicherheit ist das verwerflich. Das Argument der vermeintlich „knappen Kassen“ kann getrost als Hohn verbucht werden. Denn die Knappheit ist selbst gemacht. Während 100 Milliarden Euro in einem sogenannten „Sondervermögen“ — in Wirklichkeit sind es „Sonderschulden“ — für Panzer und Knarren bereitgestellt werden, wird sich geweigert, für jegliche der dringend nötigen Investitionen in diesem Land Kredite aufzunehmen. Damit erst werden die Kassen knapp. Klar, diese „Investitionsbremse“ steht in der sächsischen Verfassung und im Grundgesetz. DIE LINKE und die Gewerkschaften sagen seit langem schon: weg damit. Es wäre eine gute Sache, wenn z. B. auch Grüne und SPD beginnen würden, hier mitzukämpfen. Wie beim Mindestlohn wird das nicht gleich gelingen, aber vielleicht noch rechtzeitig.
Denn damit Sachsen Tarifland wird — dafür braucht es auch eine starke öffentliche Hand und keinen abgemagerten Freistaat.
– Stefan Hartmann, am 10. November 2023